29.2.08

"Außer sich sein" und wieder "zu sich kommen..."

Wut oder Aggression können mächtige Kräfte frei setzen... und doch freuen wir uns selten über die frei werdende Energie, meist macht sie uns Angst. Wir haben gelernt, zwischen guten und schlechten Gefühlen zu unterscheiden und tun alles, um die schlechten auszuschalten, zu besiegen, zu unterdrücken oder zu verdrängen. Sie könnten uns aus dem Takt bringen... Das erinnert mich an ein Wortspiel, leider weiß ich nicht mehr, wer es fand: "Ich lass mich gern aus der Fassung bringen und finde dann eine neue."
Statt Angst zu haben, durcheinander gebracht zu werden, könnten wir unseren Gefühlen mit Vertrauen und Respekt begegnen, etwa in der Haltung, dass sie uns auf Wichtiges hinweisen, vielleicht zu notwendigen Handlungen bewegen. Wut und Aggression könnten innere Helfer sein, die uns zeigen, dass etwas nicht ganz stimmig ist, sich für uns schädlich oder nachteilig auswirken könnte und dass es jetzt ansteht, aktiv zu werden. Sie rufen uns zu: "Tu etwas, setz dich für dich ein, gestalte die Situation mit, misch dich ein!"
Unsere Gefühle sind flüchtig, immer in Veränderung. Nur wenn wir sie "weghaben wollen" oder ihnen Widerstand entgegen setzen, dann werden sie drängend und werden zur Stimmung - zäh und kraftraubend.

Für kleine Ärgernisse empfehle ich folgende 6 Schritte:
  1. Innehalten, sich Zeit nehmen, um zu erspüren:
    "Was ist das für ein Gefühl, was mich da bewegt?"
  2. Sich fragen:
    "Durch welche Bedürfnisse
    wurde das Gefühl hervorgerufen?"
    - durch das Grundbedürfnis nach Anerkennung?
    - durch das Grundbedürfnis nach Sicherheit?
    - durch das Grundbedürfnis nach Kontrolle?
    - durch das Grundbedürfnis nach Einssein oder Getrenntsein?
  3. Bringen Sie Verständnis auf für die eigene Situation, um sich selbst wohlwollend zu begegnen. Nach Safi Nidiaye (Körperzentrierte Herzensarbeit) sind die Herzschlüssel, die das ermöglichen, z.B.
    - Raum geben
    - sich selbst mit Mitgefühl begegnen
    - Verständnis aufbringen für die eigene Reaktion
    - sich selbst Liebe geben, sich in die Arme nehmen
  4. Fragen Sie sich dann:
    "Kann ich dieses Gefühl (für einen Moment) dasein lassen?"
  5. Und:
    "Angenommen, dieses Gefühl hat nur beste Absichten mit mir, was möchte es bewirken mit seinem Auftritt?"
  6. Durch die ersten 5 Schritte haben Sie sich Ihrem Gefühl zugewendet. Vermutlich sind sie dadurch ruhiger geworden und haben einiges von sich selbst besser verstanden. Jetzt können Sie sich fragen:
    "Bin ich bereit, jetzt dieses Gefühl loszulassen?"
    Damit ist nicht gemeint, alles wegzuwischen oder für unwichtig zu erklären. Es geht darum, wieder bei sich selbst anzukommen.
Der Gewinn dieser 6 Schritte:
  • Sie wenden sich ihrer Emotion zu, statt sie zu bekämpfen und damit hören Sie auf, Energie zu verschwenden im Kampf mit sich selbst.
  • Sie fühlen sich nicht mehr von Ihren Gefühlen beherrscht, überwältigt oder überflutet. Sie spüren, dass Ihre Gefühle Botschafter sind und beachten diese Botschaft. Gleichzeitig wird Ihnen klar, dass sie mehr sind als ihre Gefühle. Sie sind nicht mehr identifiziert mit Ihren Emotionen, Sie erkennen, dass Ihre Gefühle zu Ihnen gehören, aber dass nicht eine Emotion Ihr ganzes Sein bestimmt.
  • Sie können die Botschaft hinter Ihren Gefühlen entschlüsseln.
  • Sie kommen durch den Prozess zur Ruhe.
  • Sie werden wieder handlungsfähig, besonders auch, weil Sie durch das Auftreten des Gefühls mehr über sich erfahren haben und über Ihre Bedürfnisse.
  • Sie können Ihre Energie für Ihre Bedürfnisse einsetzen anstatt für den Kampf gegen Ihre Gefühle (der eigentlich ein Kampf gegen Sie selbst ist!).
  • Langfristig spüren Sie sich selbst deutlicher und leben freier und unabhängiger von der Meinung anderer.
Vielleicht denken Sie jetzt: "Na bei kleinen Ärgernissen mag das ja klappen, aber wie sieht es aus mit den großen Gefühlen und Schmerzen? Auch da funktionieren die 6 Schritte, allerdings ist es leichter, wenn Sie mit Unterstützung von einem Übungspartner arbeiten. Und sie werden merken, mit der Zeit wenden Sie diese Schritte im Alltag immer häufiger und immer selbstverständlicher an, sie werden sozusagen zur neuen, guten Gewohnheit.
Ich glaube, unsere Seele ist wie ein wundervoller Edelstein, der bedeckt ist von Emotionen, so dass wir dessen Schönheit nicht mehr wahrnehmen. Und wir verwechseln unser innerstes Sein mit unseren Gefühlen und lehnen uns selbst deshalb ab. Das ist ein tragisches Missverständnis! Wir sind nicht unsere Gefühle! Durch die 6 Schritte können wir unsere Emotionen loslassen und wieder den Kern unseres Selbst spüren.

Wenn Sie sich weiter mit dem Loslassen Ihrer Gefühle beschäftigen wollen, könnte dieses Buch interessant für Sie sein, das auch in die 6 Schritte mit einfließt:

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1.2.08

Wo drückt der Schuh?

Bei sich selbst bleiben schenkt Freiheit und Gelassenheit...
"Wo willst du hin?
Wovor läufst du weg?
Stell dir vor,
in deinem Schuh gibt es einen Stein.
Egal wie schnell du weg rennst,
der Stein bleibt darin!"
VerfasserIn leider unbekannt

Ja, manchmal drückt uns der Schuh! Und allzuleicht kommen wir in Versuchung, andere dafür verantwortlich zu machen. Der eine ist zu unfreundlich, die andere macht dieses oder jenes verkehrt... Am Verhalten anderer gibt es sicher manches auszusetzen, vieles sicher mit gutem Recht. Aber hilft uns das weiter?
Was uns sicher weiterbringt: Zu schauen, welcher wunde Punkt bei mir jeweils berührt wurde. Und dann herauszufinden, was ich tun kann, um an diesem Punkt zu heilen. Viele gehen so weit, zu behaupten, dass das, was mich ärgert mir etwas an mir selbst spiegelt, was ich bei mir selbst nicht annehmen kann.
Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass mein Ärger darüber, dass mein Arbeitskollege seine schlechte Laune an mir auslässt, ein Hinweis sein muss auf meine eigene Launenhaftigkeit. Mir wird durch ihn gezeigt: Hier ist ein wunder Punkt. Als nächstes ist dann zu schauen, wo mein Schmerz konkret ausgelöst wird. Da könnte ich beispielsweise feststellen, dass ich anderen gegenüber sehr viel Geduld zeigen kann, mir selbst gegenüber es aber völlig an Geduld oder Nachsicht fehlen lasse. Die Botschaft meines Gegenübers als Spiegel wäre also: Gib dir selbst etwas von dem, was deinen Schmerz heilt! Sei achtsam und verständnisvoll mit dir selbst, anstatt dich selbst ständig zu bekritteln!
Diese Haltung, wenn es irgendwo hakt, im eigenen Schuh nach dem Stein zu suchen, gibt ganz viel Freiheit und Gelassenheit!

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